Auch Umweltaktivisten haben irgendwann Hunger. Dann steht Protestkoch Wam Kat bereit.

DLF-MAGAZIN 04.11.2010

Wam Kat sieht sich selbst als Mensch ohne Norm. „Ich mach das, was mir Spass macht und hoehersinnig nuetzlich vorkommt, und das kann man Kuenstler nennen, Vollzeitaktivist, Buchautor, Waldbewohner, Stadtrat, Politiker. Alles, ich meine, das ist Vollzeitbeschaeftigung.“ Angefangen hat alles auf der Rainbow Warrior von Greenpeace, Mitte der 70er-Jahre. Eigentlich wollte er als „Held“ in ein Schlauchboot, erzaehlt der sympathische Niederlaender und grinst. Doch er landete in der Kombuese und erkannte schnell: Anstaendiges Essen ist wichtig fuer die Aktivisten – ohne Mampf kein Kampf, wie es bei der Bundeswehr heisst.

In den Niederlanden hat er die Gruppe „Rampenplan“ mitgegruendet, eine Institution der Protestkuechen. Bei grossen Aktionen ist die Volxkueche eine Art Seele der Veranstaltung. Helfer zum Gemueseschnippeln oder Abwaschen – Einweggeschirr ist verpoent! – finden sich immer. Schliesslich lassen sich dabei auch gut Kontakte knuepfen, oder man kann einfach mal durchatmen. Bei grossen Protestaktionen, sagt Wam Kat, ist die Kueche ein Hort der Buergerlichkeit mitten im Chaos. „Wo man auch kocht, es sind alles Ausnahmesituationen – da haben die so eingegriffen, die ist verschwunden, da ist die Blockade usw. -, und in der Kueche wird das kurz mal abgeschaltet. Und dann merkt man zum Beispiel, dass in idiotischen Situationen eine Kartoffelsuppe richtig so was sein kann, wodurch eine ganze Menge Menschen wieder ein bisschen auf den Boden von der Realitaet kommen.“

In Gorleben, bei den Protesten gegen den Castortransport an diesem Wochenende, ist Wam Kat mit seiner VoKue auch wieder mit dabei. „Als Koch muesste ich eigentlich Angst davor haben, dass auf einmal 50.000 Teilnehmer vor mir stehen und einen Teller Nudeln haben wollen“, sagt er, „doch als politischer Aktivist wuerde ich mich unheimlich freuen, wenn so viele zusammen kaemen.“ Bei einer solch grossen Menge hungriger Maeuler ist genaue Planung noetig. Fuer 10.000 Menschen braucht der Protestkoch naemlich locker 2000 Kilo Gemuese. Seine Lebensmittel bezieht Wam Kat von oertlichen Landwirten, Grossmaerkten oder Biolaeden. „Im Grunde genommen sind die Bauern vom Wendland auch unsere groessten Lieferanten, weil Kartoffeln haben die gerne uebrig fuer die Leute, die blockieren. Woanders ist es immer eine lange Vorbereitung und ein Versuchen, abzuschaetzen, wie viel man ungefaehr braucht. Und dann mit denen verhandeln, ob es moeglich ist, wenn es nicht so viele Menschen werden, ob man was zurueckliefern kann, und wenn es mehr Menschen werden, ob der flexibel genug ist, um mehr zu holen.“ Die Lieferanten muss Wam Kat jedoch bitten, ihm zu vertrauen, denn bezahlen kann er sie in der Regel erst nach der Aktion.

Finanziert wird der Kochbetrieb durch Spenden, manche Demonstranten geben ein paar Cent, andere einen Fuenfeuroschein fuer einen Teller Reis mit Gemuese. Nudeln uebrigens sind fast immer der Renner, sagt der dreifache Vater, der fuer die Linken in einem Stadtrat in Brandenburg sitzt. Die Speisen sind in der Regel vegan, also ohne Fleisch und andere tierische Produkte. Wam Kat ist so aufgewachsen, und die linksalternative Szene will es auch gar nicht anders. Bio hingegen – muss nicht unbedingt sein. „Weil, wenn zur Verfuegung steht, ich sag mal, Biomoehren aus China und regionale Moehren ohne Bio, dann wuerde es doch die regionale Moehre werden. Das ist das ganze Prinzip, dass man so viel wie moeglich versuchen muss, diese Globalisierung zurueckzudraengen, in dem Sinne, dass man sich mal Gedanken macht: koennen wir eigentlich vor Ort das herstellen, was wir essen.“

Seine „Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung“ hat er sich selbst ausgedacht und als Kochbuch herausgebracht. Nicht alle in der konsumkritischen Szene fanden das gut. Doch Wam Kat ist das egal. Solange ich meine Meinung frei aeussern kann, setze ich mich mit jedem an den Tisch, sagt er, sogar auf einer CDU-Veranstaltung wuerde er kochen. In den 90er-Jahren hat er in Fluechtlingscamps in Bosnien und im Kosovo geholfen, in Berlin-Neukoelln hat er versucht Grundschuelern beizubringen, dass Doenerfleisch nicht vom Doenertier kommt. Und erst vor kurzem ist der 54-Jaehrige zum Gourmetfestival „Terra Madre“ nach Turin gereist. „Fuer ein Feinschmeckertreffen zu kochen, ist natuerlich ein echter Hammer. Das sind, sag mal, die Experts, wenn es kommt zu Geschmack und so. Und die Idioten von Slow Food haben mich ausgewaehlt, um Deutschland da zu vertreten, wo normalerweise Sternekochs hingeschickt werden, die die Sterne von Michelin gekriegt haben und wo die Sterne nicht am Himmel stehen, wo die kochen. Ich bin unglaublich stolz.“ Sagt Wam Kat, wischt sich die nassen Haende am fleckigen Strickpulli ab und wirft die naechste Ladung Gemuese in den grossen Topf.

Kommentar verfassen