Balkan Sunflowers:ein aktueller „Reality Workshop“, der wirklich hilft

Als der Kosovo-Krieg ausbrach, zögerte Wam Kat nicht lange. Der Niederländer und Friedensaktivist schrieb ein E-mail an alle Freunde und Organisationen, die er kannte. Die leiteten es weiter, und 48 Stunden später hatte er bereits 300 Antworten erhalten, mittlerweile sind es einige tausend. Ja, alle wollten helfen, eine alternative Flüchtlingshilfe aufzubauen. Alle hatten schon selbst darüber nachgedacht, was sie tun könnten, und trugen jetzt Ideen oder Fähigkeiten bei, um den Flüchtlingen aus dem Kosovo ein Stück Normalität und Menschlichkeit zu bringen.

"Die Kinder, die im Krieg noch kein Trauma bekommen haben, bekommen es spätestens im Flüchtlingslager. Die Aufmerksamkeit der Welt wird nach dem Krieg weiterziehen, aber die Lager werden mindestens ein Jahr dort bestehen. In dieser Zeit werden die Flüchtlinge nichts anderes zu tun haben, als zu warten und immer wieder über den Krieg, ihre verlorene Heimat, ihre vermißten Verwandten zu sprechen. Neben aller Versorgung brauchen sie ein Stück Menschlichkeit, eine Ahnung von der Welt außerhalb der Lager."

Der Soziologe Wam Kat ist kein Neuling auf dem Gebiet. 1991 gründete er die Flüchtlings-Hilfsorganisation Suncokret. "Suncokret heißt Sonnenblume auf serbisch und kroatisch. Wir machten damals die Sonnenblume zu einem Zeichen der Hoffnung."

Im Laufe der Kriegsjahre hat Suncokret etwa 3200 Freiwillige ausgebildet und in die Flüchtlingslager geschickt. Sie unterrichteten die Jugendlichen und die Kinder, malten mit ihnen, handarbeiteten mit den Frauen, sprachen und halfen, wo immer sie gebraucht wurden. Sprachbarrieren wurden mit viel Phantasie und Kreativität überwunden oder mit Hilfe der Jugendlichen und Kinder, die in der Schule englisch gelernt haben. Jetzt soll die Sonnenblume wieder blühen. Während die meisten Bürger immer noch über das Für und Wider der Nato-Bombardements debattieren, hat Balkan-Sunflowers, so der Name der neuen Flüchtlingshilfeorganisation, bereits Kontakte zu den Lagerleitungen und zur UNO-Flüchtlingsorganisation aufgenommen. Wam Kat: "Unsere Freiwilligen sind ihnen höchst willkommen. Die Lagerleitungen kennen mich noch aus dem ersten Krieg und wissen, daß ich ihnen gut ausgesuchte junge Leute schicke, die sensibel mit den Flüchtlingen arbeiten. Sie können sich noch an die positiven Ergebnisse unserer Arbeit damals erinnern und werden uns alle nötigen Wege eröffnen."

Im Mai fährt ein erstes Team nach Albanien und Mazedonien, um vor Ort die Details zu organisieren. Ab Anfang Juni starten dann die ersten Freiwilligen von Tirana aus. Nach einigen Tagen Ausbildung verbringen sie drei Wochen in einem Lager. "Kürzer hat es keinen Sinn", meint Wam Kat, "und länger wird es für die meisten kaum zu ertragen sein." Die Freiwilligen werden das Leben der Flüchtlinge teilen: in Großzelten leben und sich vom gemeinsamen Lager-Essen ernähren. Dafür werden sie für die drei Wochen zweihundert Mark bezahlen: 50 DM für die Organisation und 150 DM an das Flüchtlingslager für die Verpflegung. Was für eine Situation erwartet sie menschlich?

"Es wird für jeden eine intensive Zeit und ist oft frustrierend und hart. Wer große Erwartungen hat, das Weltgeschehen zu verändern, wird sicher enttäuscht werden.
Wer kommt, um die Menschen dort von der eigenen Weltanschauung zu überzeugen oder über den Krieg zu diskutieren, ist fehl am Platz.
Wer kleine Dinge tun kann wie mit Kindern zu malen oder zu singen, wer einfach mal zuhören kann, auch wenn das Gehörte schrecklich ist, wer sich auf ungewöhnliche Situationen einstellen kann und auch bereit ist, Latrinen zu putzen oder zu kochen, wer auch mal mit nur kleinen Erfolgen zufrieden ist, ist als Freiwilliger geeignet."

Innerhalb von drei Wochen sind viele Balkan-Sunflower-Büros entstanden: in Prag, New York, Amsterdam, Tel Aviv, Moldavien, Arhus, Belfast, Zagreb und in Belzig bei Berlin, wo Wam Kat lebt und arbeitet.
Eine eigene Web-Site im Internet informiert über den aktuellen Stand der Entwicklungen. Das entstandene Netzwerk an Hilfswilligen spannt sich über Europa und die USA und nutzt auch die Kontakte, die noch vom ersten Jugoslawien-Krieg bestehen, vor allem das elektronische Netzwerk Zamir: "Für Frieden".
Viele hundert Freiwillige aus den verschiedensten Ländern haben bereits Interesse gezeigt. Balkan-Sunflowers erhält vielfache originelle Angebote: So haben zum Beispiel ökologische Architekten aus den Niederlanden angekündigt, mit Flüchtlingen und den Freiwilligen Leichtbauten aus Lehmballen und Stroh zu bau
Kontakt: Leila Dregger, Werkstatt Journalistinnenbüro,
Linienstr. 103, 10115 Berlin, e-mail:
\n werkstatt@snafu.de

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