Hoffnung fuer die Zukunft

ueber die alte Macht des Fernsehens und wie es mit dem Bloggen losging, als es noch gar nicht so genannt wurde.

Ich will mal erzaehlen, wie ich zum Bloggen gekommen bin. Vor etwas ueber 30 Jahren sass ich das erste Mal vor einem Computer (genau genommen sind es etwas ueber 40 Jahre, aber das ist eine andere Geschichte). Ein Freund hatte mir gesagt, dass er einen zu Hause hat. Das war damals etwas sehr Ungewoehnliches. Medien waren zu dieser Zeit etwas, das man konsumiert hat. Es gab einen Sender, eine Redaktion, einen Verlag, und man selbst war der Empfaenger. Das war die festgelegte Richtung.

Als ich vor dem kleinen Computer sass, war das fuer mich eine Mischung aus einem Fernseher und einer Schreibmaschine. Es war sensationell. Ich konnte jetzt etwas schreiben, und es war sofort im Fernsehen! Ich war begeistert und so wie ich, sind in den letzten drei Jahrzehnten viele Millionen Menschen von dieser Begeisterung erfasst worden. Man kann nicht mehr nur zusehen und zuhoeren und lesen. Man kann etwas tun. Das ist die Grundstimmung beim Bloggen.

Es gab damals in den achtziger Jahren erste Computernetze (etwa die Tiernetze Fidonet, Z-Netz und MausNet oder das GeoNet von Guenther Leue), die von Amateuren ueber das Telefonnetz aufgebaut wurden. Irgendwann hatte ich die Idee, dass man mit Hilfe dieser neuen Kommunikationsmittel gemeinsam mit anderen Menschen Tagebuch schreiben koennte. Das Interessante daran war: Man muesste nicht mehr warten, bis solche Texte gedruckt waren. Man koennte sie sofort lesen, genau wie Nachrichten.

Das Tagebuch ist eine offene, ungezwungene Form, die jeder benutzen kann. Auch wenn es ein Journal ist, muss man sich nicht an journalistische Formen halten. Man kann experimentieren, oder einfach drauflosschreiben. Ich war damals immer ein bisschen wuetend, wenn ich die Fernsehnachrichten gesehen habe, die „Tagesschau“ um 8 Uhr abends, die Hauptnachrichten. Ein Sprecher sass da und sagte sozusagen: „Guten Abend, ich bin die Wirklichkeit“. Ich sass dann immer da und dachte: Aber ich bin doch auch die Wirklichkeit! Ich haette auch etwas zu erzaehlen.

Und dann gab es mit dem Computer auf einmal die Moeglichkeit, das auch tatsaechlich zu tun. Ich nannte das Projekt „Europaeisches Tagebuch“. 1992 gab es einen entscheidenden Anlass, mit diesem Tagebuch anzufangen: Zu dieser Zeit war Krieg im ehemaligen Jugoslawien. In Zagreb, der Hauptstadt von Kroatien, gab es einen Friedensaktivisten namens Wam Kat. Er hat ueber die Kriegszeit Tagebuch gefuehrt. Und er hat dieses Tagebuch online verbreitet. Ich habe es im Netz gelesen, und immer wenn etwas Neues kam, habe ich es ins Deutsche uebersetzt und dem Europaeischen Tagebuch hinzugefuegt. Die Bezeichnung „Blog“ gab es damals noch nicht.

Ein Jahr spaeter begann das Internet-Zeitalter. Im Maerz 1994 hielt der damalige amerikanische Vizepraesident Al Gore eine Rede vor der International Telecommuniation Union (ITU), in der auch Wam Kat und sein Tagebuch erwaehnt wurden: „Es gibt einen hollaendischen ‚Peaceworker‘, Wam Kat, der von Zagreb aus ein elektronisches Tagebuch im Internet verbreitet hat und seine Beobachtungen ueber das Leben in Kroatien mit den Menschen im Netz teilt. Viele Menschen haben Geld gespendet, nachdem sie das Tagebuch von Kat gelesen hatten. In einer Stadt, die vom Krieg zerstoert war, konnten damit 25 Haeuser wieder aufgebaut werden. Es war keine Regierung und keine Behoerde, die das veranlasst hat. Es waren die Menschen. Solche Dinge lassen fuer die Zukunft hoffen.“

Hier sind wir nun, in dieser Zukunft.

Es ist ein gewaltiges soziales Experiment, das nun in den Dialogbereichen des Internet stattfindet. ueberall auf der Welt versuchen Menschen zu lernen, wie man online miteinander umgehen kann. Wie man im Internet leben kann. Bis vor ein paar Jahren erinnerte das Netz mit vielen, statischen Websites eher an eine lange Schaufensterreihe. Seit ein paar Jahren aendert sich das, und zwar sehr rasch und in grossem Umfang, hin zu sozialen Medien und zu Dialogformen.

Die Informationsgesellschaft hat in dem Moment begonnen, in dem klar war, dass zu viel Information da ist. Das ist unsere Ausgangssituation. Es gibt kaum einen Platz, an dem man das besser lesen kann und lernen kann, als in Blogs. Write the best, link the rest!

ueber den Autor

Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller fuer den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin. Computerinteressiert. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs.

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