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kochen fuer den weltfrieden: der koch und autor wam kat im interview

Bild_2_2Wam Kat bekocht Menschen in Extremsituationen. Seine "Gäste" zahlen nach dem Essen – soviel sie wollen. Mit seinem Küchenkollektiv ist der Aktivist oft und gerne dort wo viele Menschen zusammenkommen: freiwillig, zum Beispiel bei Protesten zum G-8-Gipfel in Heiligendamm, oder unfreiwillig, etwa in den Flüchtlingslagern des Balkankrieges. 24 seiner Lieblingsrezepte sind jetzt in Buchform erschienen, dazu erzählt der Holländer Anekdoten: die Geschichte sozialer Bewegungen mal aus ganz anderer Perspektive, dazu reichlich Wissenswertes über Ernährung. Die Sex Pistols hat er übrigens auch schon mal bekocht. Aber interessant, so findet er, wird's erst ab ein paar tausend hungrigen Mäulern.

 

Interview: Stephanie Grimm, Utopia. Berlin, 10/2008

Utopia: Wam Kat, wie kommt man darauf, freiwillig Großveranstaltungen zu bekochen?
Wam Kat: 
1980 sollte in den Niederlanden eine Atomzentrale besetzt werden. Erwartet wurden 10- oder 20000 Menschen, die mindestens eine Woche bleiben sollten. Monatelang planten Anti-Atom-Gruppen die Besetzung, doch in der ganzen Zeit wurde nie übers Essen geredet. Da habe ich spontan gesagt, dass ich mit meiner Gruppe – wir waren damals 3 Leute – alle auf ökologischer Basis durchfüttere. Die anderen haben mich für verrückt erklärt. Wir haben uns zwei Wochen ans Telefon gesetzt, bis wir alles Nötige hatten: 50-Liter-Töpfe, ein Zirkuszelt, Freiwillige. Irgendwie hat es geklappt – auch wenn es sicher nicht das Beste war, was wir je gekocht haben.

Was war Ihre letzte Veranstaltung?
Das war ein Trance-Festival namens "Antaris" (lacht). Es ist immer interessant, inwiefern wir mit unseren Ideen an anderen Szenen andocken können und wie Leute darauf reagieren, dass sie bezahlen können, was sie für richtig halten.

Und was gab’s zu essen?
Wir haben nicht gekocht, sondern nur Chai und fair gehandelten Kaffee angeboten. Raver essen nicht viel, die wollen vor allem trinken.

Man kann Sie also auch buchen?
Ja. Allerdings sind wir, die „fahrende Gerüchteküche“, eine basisdemokratische Gruppe. Wenn die anderen sagen: „Damit wollen wir nichts zu tun haben“, muss ich eine andere Lösung finden.

Jeder darf mitessen, bezahlen soll man erst hinterher – so viel, wie es einem Wert war. Funktioniert das System?
Meistens funktioniert es, oft sogar mit kleiner Gewinnspanne – auch bei dem Festival. Damit kann man ausgleichen, wenn es mal nicht klappt. Das System nimmt auch den Druck von uns, das zu bieten, was die Leute für ihr Geld erwarten.

Warum haben Sie nun das Buch geschrieben?
Im Kopf hatte ich die Idee für ein Buch mit Geschichten und Rezepten schon länger, seit ich in Kroatien während des Bosnienkriegs ein Online-Tagebuch geschrieben habe. Aber die Suche nach einem Verlag war mir zuwider, und im Selbstverlag wollte ich es auch nicht herausbringen. Der Sohn meines jetzigen Verlegers hat letztes Jahr nach Heiligendamm, auf die Frage seines Vaters, wie es denn gewesen sei, zu allererst gesagt: „Das Essen war klasse!“ Er ist 17 und will zuhause kaum essen. Das hat den Vater doch neugierig gemacht. Gleichzeitig bin ich über den G-8-Gipfel, wo ich mit meinem alten Kollektiv „Rampenplan“ aus den Niederlanden für 6000 Menschen gekocht hatte, in die taz gekommen. So kam es zu dem Anruf von Orange Press, die sagten: „Wir wollen ein Buch mit dir machen.“

Alle Ihre Rezepte sind vegetarisch oder vegan. Finden Sie Fleischkonsum grundsätzlich problematisch – egal, wie man ihn gestaltet?
Ich habe nichts gegen Fleisch, auch wenn ich schon als Kind vegetarisch gegessen habe. Aber man sollte sich schon bewusst sein, dass man als Fleischesser theoretisch immer weniger auf dem Teller hat. Schließlich kostet jedes Kilo Fleisch sieben Kilo Getreide in der Herstellung. Die Ungerechtigkeit ist ja, dass jeder Fleischesser zusätzlich noch essen will, was ein Vegetarier isst. Das klingt zugegebenermaßen ziemlich calvinistisch, aber Fakt ist nun mal grundsätzlich: Wir haben eine bestimmte Menge Essen, und wir haben so und so viele Menschen. Die Frage ist also, wie es verteilt wird.

Welches Rezept ist ihr Lieblingsgericht?
Mein Lieblingsgericht heißt "Dhal". Es ist einfach und sehr meditativ, weil man dafür Zeit braucht und drüber nachdenken kann: In welche Richtung soll es heute gehen? Außerdem mag ich das Gericht, das nach meinem Sohn benannt ist: "Pjort". Das ist grünes Gemüse, nämlich Brokkoli und Saubohnen, mit Weizen und heller Soße. Ich empfinde es nämlich immer noch als Wunder, dass meine Kinder schon von klein auf verrückt nach Brokkoli waren.

 

 

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