Nuesse und Obst als „Aufheller“

Wam Kat und Freunde aus Belzig kochen im Anti-G 8-Lager für 5000 Leute

KERSTIN HENSEKE

BELZIG/ROSTOCK Die 600 Liter Tomatensuppe sind nach einer halben Stunde alle. Im Anti-G8-Camp Rostock-Marienehe muss Ramona Stucki aus Belzig die hungrigen Gipfel-Kritiker vertrösten. Die Linsensuppe braucht noch eine Weile. Derweil spült Burkhard Pranke, ebenfalls aus Belzig, mit seiner Mannschaft im Akkord Geschirr. Wegwerfteller kommen hier nicht in die Tüte.
Etwa 5000 Menschen zelten im ehemaligen Grenzschlachthof am Rande der Ostseemetropole, um an den Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen des Alternativ-Gipfels teilzunehmen. Ein Lager von mehreren, eher ein kleineres, sagt Wam Kat, einer der fünf in Marienehe eingesetzten Köche von "Rampenplan", einer Art mobiler Volksküche, die der Niederländer und heutige Fraktionschef von Linkspartei-PDS in der Belziger Stadtverordnetenversammlung vor 26 Jahren in seiner Heimat gegründet hat.

Übersetzt bedeutet "Rampenplan" Katastrophenschutz. Die Köche verstehen sich als Friedensaktivisten und versorgen an politischen Krisenherden oder bei Massenveranstaltungen die Menschen mit dem, was Leib und Seele zusammenhält. "Wer satt ist, ist friedlicher", sagt Wam Kat. Die Essensempfänger werden in die Arbeit einbezogen. "Normalerweise mit anstrengenden Themen beschäftigt, können sie beim Gemüseschälen ausruhen, anderen begegnen." Der 51-Jährige selbst rührte im Jugoslawienkrieg, im Kosovo oder beim Protest gegen die Castor-Transporte in Gorleben in den gigantischen Töpfen, beköstigte Bürgerkriegsflüchtlinge ebenso wie Kirchentagsteilnehmer.

Obgleich also an größere Dimensionen gewöhnt, ist das Marieneher Camp eine Herausforderung für das internationale "Rampenplan"-Team, zu dem auch rund zehn Fläming-Bewohner zählen, und seine täglich etwa 60 Helfer vor Ort, die vor allem das Bio-Gemüse putzen und schnippeln, das täglich frisch auf die Teller kommt. Für die Stimmung ist wichtig, was serviert wird. Nüsse, Rosinen, Obstsalat als "Aufheller", wenn die Aktivisten allzu abgeschlagen auf den Platz zurückkommen oder gar "etwas schief gelaufen" ist. Gekocht wird bei Wam Kat ausschließlich vegan, also ohne jedes tierische Produkt, auf dem abendlichen Speiseplan stehen heute Kartoffeln, Mangold und Kokossauce. Die 10 000 Tassen Kaffee, die jeden Morgen ausgeschenkt werden, stammen aus fairem Handel, das Bio-Gemüse zu 75 Prozent aus der Region um Rostock.

Mehr als drei Stunden Schlaf pro Nacht ist trotz Schichtarbeit selten drin. Gekocht wird bis Mitternacht, so lange dauern oft die Plena und Sitzungen. Die letzte Essenausgabe dauert bis drei Uhr morgens, um sechs Uhr wird mit dem Frühstück begonnen. "Alle arbeiten ehrenamtlich, das Essen wird gegen Spenden ausgegeben, wovon wir die Lieferanten bezahlen", sagt Wam Kat. Am Sonnabend ist alles vorbei. Das Küchenteam hat dann bis auf die Demonstrationen und Blockaden, wo "Rampenplan" mit einer mobilen Kücheneinheit gezielt deeskalierend Kaffee, Tee und Suppe ausgibt, wenig vom Gipfel und seinen Alternativen gesehen. "Wir bekommen hier nur die Helikopter über uns und die Stimmung der Rückkehrer mit", sagt Wam Kat, "und die schwankt zwischen Woodstock und Gorleben."

MAZ 07.06.07

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