Wam Kat aus Belzig hat ein Kochbuch herausgegeben, das obendrein spannend und unterhaltsam ist

LITERATUR: Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung

BELZIG – Die Legende geht so: Der Sohn des Verlegers, ein notorischer Mäkler am bürgerlichen Mittagstisch, kommt vom G8-Gipfel in Heiligendamm nach Hause und schwärmt vom Essen im Gip-felgegner-Camp. Gekocht von einem Niederländer mit langen Haaren, vegetarisch oder sogar vegan, in Riesentöpfen für bis zu 5000 Leute. Die Zutaten von Biobauern rund um Rostock.

MAZ – Kerstin Henseke – 28 juli 2008

Der Verleger wird hellhörig. Das alles klingt nach einem kulinarischen Kunststück, politisch korrekt noch dazu. Den Koch zu finden ist nicht schwer, viele Zeitungen schreiben am Rande des Gipfels über den Wahl-Belziger Wam Kat, dessen Team sich von den übrigen Volksküchen nahezu exotisch abhebt. Der Verleger ist in der Branche zu Hause. Er hat bereits das Buch zum Film „We feed the world“ herausgebracht, nach dessen Enthüllungen über die profit-orientierten Praktiken der Nahrungsmittelkonzerne es einem nachhaltig den Appetit verschlägt. Lass uns ein Kochbuch machen, schlägt der Verleger Wam Kat vor, für alle diejenigen, die seitdem nicht mehr wissen, was sie essen sollen.

Und so erschien gerade bei Orange Press ein Kochbuch der besonderen Art: „Wam Kats 24 Rezepte zur kulinari-schen Weltverbesserung“. Dass das Buch schon jetzt, nach nur drei Wochen auf dem Markt und trotz seines stattlichen Preises von 25 Euro ein Verkaufshit ist, hat gute Gründe. Natürlich kann und soll man nach diesem Buch auch kochen. Sehr komfortabel sogar, denn zu jedem der an vielen tausend Essern erprobten Rezepte gibt es eine Einkaufsliste, appetitliche Farbfotos der angerichteten Speisen, eine kleine Wildkräuterkunde und sogar Musiktipps fürs entspannte Kochen. Die durchweg vegetarischen Gerichte sind trotz gewöhnlicher Zutaten außergewöhnlich raffiniert, abwechslungsreich und ausgewogen, die (meist frischen) Zutaten leicht zu bekommen. Es kann aber passieren, dass Käseschnitzel mit Polenta, Auberginenscheiben und Mangold, vegetarische Friedensburger oder Wamicelli (Buchweizen-Dinkelnudeln) mit selbst gemachter Tomaten- und Currysoße anbrennen, weil man sich festgelesen hat.

Das 250 Seiten starke Buch ist nämlich zugleich eine Reise durch Wam Kats Leben und damit auch durch ein halbes heftiges Jahrhundert alternative Zeitgeschichte. Denn seitdem der promovierte Soziologe 1981 im niederländischen Sittard das Kochkollektiv „Rampenplan“ (zu deutsch Katastrophenschutzplan) gründete, um Anti-Atomkraftprotestler zu bekochen, füttert der konsequente Pazifist die soziale Bewegung auf hohem Niveau durch, schafft an ungezählten Konfliktherden Normalität, wo Ausnahmezustände herrschen. Und natürlich tat er mehr als das. Mitten im Jugoslawienkrieg knüpfte er eines der ersten Computernetzwerke, über das sich die verfeindeten Ethnien miteinander verständigen oder gründete Versorgungsstationen für flüchtende Kosovaren im Albanienkrieg. So einer hat viel zu erzählen, und er tut es auf spannende Weise, mit viel lässigem Humor, Selbstironie, Ehrlichkeit und jenem Idealismus, der ohne jede Moralisierung auskommt, sondern Lust aufs Kochen und gut verdaulich klar macht, was Essen mit Politik zu tun hat.

Wam Kat, 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung, 255 Seiten, Orange Press, ISBN 978-3-936086-36-2. (Von Kerstin Henseke)

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