Tagesspiegel Wenn Tausende lautstark protestieren, rueckt Wam Kat mit riesigen Toepfen an. Der Hollaender kocht seit Jahrzehnten fuer Demonstranten. Vegan natuerlich. Es war am letzten Tag der Proteste von Heiligendamm, als ploetzlich ein Einsatzleiter der Polizei vor Wam Kat stand. Der Einsatzleiter sagte, er solle ihm verdammt noch mal verraten, wie das gehe, rein organisatorisch, warme Suppe, stets puenktlich, fuer Tausende von Demonstranten. Seine Polizisten muessten oft 24 Stunden ohne ordentliche Mahlzeit ausharren. Die Sonne stand tief am Horizont, die letzten G8-Gegner rollten ihre Schlafsaecke zusammen, eine Sommerbrise wehte ueber die aecker rund um den Sicherheitszaun, der die Staatschefs schuetzen sollte. Wam Kat schaute den Einsatzleiter an und sagte: „Das funktioniert, weil wir es freiwillig tun. Und weil wir voller Energie sind.“ Drei Jahre und ein paar Wochen spaeter auf dem Ballhofplatz in Hannover. Wam Kat holt sich einen Kuerbis, setzt sich damit in die Sonne, schneidet das Kerngehaeuse raus und schnipselt Rinde und Fruchtfleisch in einen Bioland-Plastikkuebel. Wam Kat ist ein Urgestein des politischen Massenprotests und gleichzeitig ein Pionier der veganen Kueche. Von Anfang an ist er dabei, wenn sich Menschen versammeln, um gegen Atommeiler, Castor-Transporte oder Regierungschef-Zusammenkuenfte zu demonstrieren. Anzeige Der Hollaender, geboren 1956, kocht mal fuer ein Dutzend, mal fuer hundert, mal fuer Tausende. Immer moeglichst mit regionalen Produkten und biologisch, stets vegan. Vor vielen Jahren in der Hausbesetzer-Szene hat ihm das noch Gelaechter beschert. Heute ist er durch sein Buch 24 Rezepte fuer eine kulinarische Weltverbesserung (orange press, 25 Euro) ueber das Demonstranten-Volk hinaus bekannt. Es hat einen Nerv getroffen, passt zum Biologisch-Regional-Vegetarisch-Vegan-Klimabilanz-Selbstversorger-Trend. Wam Kat wird fuer Managerseminare gebucht und von Haubenkoechen eingeladen, er gehoert zu den Stargaesten der grossen Slow-Food-Messe Ende Oktober in Turin. Zeit fuer einen Besuch bei ihm. Wam Kat traegt eine blaue Strickmuetze und ein schwarzes Jeanshemd. Auf der Muetze, in den Bartstoppeln und auf dem Hemd kleben Kuerbisfussel. „Kochen ist eine politische Handlung“, sagt er. Kochen und Politik, das sind die Konstanten in Wam Kats Leben. Frueher ist es bei den Demos um Haeuserkampf gegangen, da stand an jeder Ecke eine Frittenbude. Hauptsache billig, Hauptsache satt. „Damals haben uns die Demonstranten bloed angeschaut, in der Suppe herumgestochert und gefragt: Wo ist das Fleisch?“ Heute schauen sie kritisch und fragen, ob das denn wirklich vegan und bio ist. Frueher, das war vor 30 Jahren, als die Atomkraft-Gegner bei Gorleben im Wendland ihre Freie Republik ausriefen und ueber einen Monat lang in Holzbaracken ausharrten, um den Bau des Atommuell-Lagers zu verhindern. Wam Kat war dabei. Und weil im Wendland nicht an jeder Ecke eine Frittenbude steht, gruendete er mit ein paar Freunden die Volkskueche „Rampenplan“. Sie liehen sich grosse Pfadfinder-Suppentoepfe, baten die benachbarten Landwirte um Lebensmittel. Auf dem Ballhofplatz in Hannover haengt seit ein paar Tagen ein selbst gebasteltes Ortsschild: „Freie Republik Wendland“, steht drauf. Eine Jugendtheatergruppe hat das ehemalige Huettendorf nachgebaut. Am Abend wird Wam Kat auf der Buehne eine „Politische Kochshow“ praesentieren. Normale Koeche haben eine grosse Kueche und entscheiden morgens, was sie abends zubereiten werden, dann gehen sie einkaufen. Normale Koeche, so heisst es, haben oft cholerische Anfaelle. Wam Kat ist kein normaler Koch. Er hat fuenf 300-Liter-Toepfe, Brenner, Schneidebretter, viele Messer und einen alten Mercedes-Lieferwagen. Und im Prinzip funktioniert das Konzept seiner Volkskueche heute nicht anders als damals im Wendland. Bald geht es wieder nach Gorleben. Bei solchen Grossveranstaltungen muss Wam Kat fuer seine Menues schon Monate vorher Vorbereitungen treffen. Er muss abschaetzen, wie viele Demonstranten kommen werden: 6000, 10.000, 30.000? Er sucht nach Bio-Hoefen, erklaert sein Anliegen, bittet um Moehren und Gurken, die fuer den Grosshandel nicht taugen, weil sie nicht der EU-Norm entsprechen. Weil sie zu gross oder klein, zu dick oder krumm fuer den Supermarkt sind. Wam Kat bittet die Bauern, ihm zu vertrauen, er werde ihnen alles bezahlen nach der Demo. „Ich habe jedes Mal Angst, dass es nicht klappen koennte“, sagt Wam Kat. 300 Liter Suppe reichen fuer 1000 Mahlzeiten. 15.000 Menschen zehn Tage lang zu versorgen kostet 100.000 Euro. Bislang hat es jedes Mal geklappt. Seine Volkskueche bietet das Essen kostenlos an, finanziert sich durch Spenden. Manche Demonstranten geben ein paar Cent, manche fuenf Euro, manche mehr. Bei jeder Veranstaltung finden sich Freiwillige, die Kartoffeln schaelen und Zwiebeln schneiden. Tausende Kartoffeln, tausende Zwiebeln. Und die cholerischen Anfaelle? Die koenne er sich nicht leisten, sagt Wam Kat. Wuerde er rumschreien, stuende er bald alleine da. Seine Kueche sei vielmehr ein „Hort der Buergerlichkeit“ mitten im Chaos. Ob gewalttaetige Demonstranten Steine schmeissen oder Barrikaden errichten, ob friedliche Demonstranten hitzig darueber streiten, ob nun basisdemokratisch abgestimmt werden soll Wam Kat kocht. Er ist wie ein Kapitaen, der mit seinen Gerichten die Stimmung lenkt. Eine bodenstaendige Gulaschsuppe (natuerlich vegan mit Tofu oder Seitan) gibt neue Kraft. Nuesse, Rosinen und frisches Obst beruhigen die Gemueter. „Idealerweise schmeckt das Essen so gut, dass die Menschen fuer einen Augenblick ihre Wut vergessen“, sagt der ueberzeugte Pazifist. Seine Gerichte heissen Praekolumbus (Buchweizenbrei mit Wurzelgemuese und Kompott), Woodstock (Chili sin Carne), Golden Temple (Indisches Buffet mit Spinat und Dhal). Alles eigene Kreationen. Pieter Jan Herman Fredrik Kat, geboren in Zeist bei Utrecht. Sein Vater war Bildhauer, seine Mutter die gute Seele der Kuenstler-WG, in der er aufwuchs. Und weil es fuer die Kunst nicht viel Geld gab, kam selten Fleisch auf den Esstisch. Dafuer habe es Obst und Gemuese aus dem eigenen Garten gegeben. An die Gerueche koenne er sich noch erinnern. Heute in den Supermaerkten, da rieche er nichts mehr. Als Wam Kat als Student der Soziologie in Amsterdam am Fliessband einer Fleischfabrik arbeitete, ist ihm der Appetit auf Industrienahrung erst recht vergangen. Essen muss mehr sein als ein Produkt, sagt er, mehr als nur Nahrungszufuhr. Seit 15 Jahren wohnt Wam Kat in Weitzgrund, einem Dorf bei Belzig in Brandenburg. Vier Haeuser, zehn Menschen. In Belzig leben Freunde von ihm, hier in die Einoede zieht er sich zurueck, wenn er Ruhe braucht. Hier wohnt er mit seiner deutschen Freundin, seine drei erwachsenen Kinder leben im Ausland. Wam Kat ist Gemeinderatsmitglied in Belzig. Zu den Sitzungen laeuft er sieben Kilometer durch den Wald, manchmal entdeckt er Hirsche am Wegrand. Das Erste, was er von Belzig sieht, ist ein Fitness-Studio mit einem grossen Parkplatz davor. Wam Kat sagt, er verstehe diese Welt manchmal nicht. Es ist Nacht geworden in Hannover. Ein Kessel Kuerbissuppe steht auf der Buehne. Hannovers AKW-Gegner und Vegan-Esser haben sich auf Baenke davorgesetzt. Die Schueler der Theatergruppe rauchen Selbstgedrehte. Die Lehrer schmunzeln zufrieden. Reggae-Musik. Pace-Fahnen. Rastazoepfe. „Endlager“ steht auf einem Plakat ueber der Bio-Tonne. Dann kommt Wam Kat auf die Buehne, mit Wollmuetze und Pullover, sagt „Hallo“, ruehrt in der Suppe und schnippelt. Al-Gore-rettet-die-Welt-Stimmung. Wam Kat haelt ein Gemuese hoch. Was ist das? „Kohlrabi“, meldet sich ein Lehrer aus dem Publikum. Es war Sellerie. Zugegeben, ein sehr krummer Sellerie. „In jede Suppe gehoert Sellerie“, sagt Wam Kat. Der Kessel dampft, Wam Kat erzaehlt. In der Kombuese des Greenpeace-Schiffes „Rainbow Warrior“ hat er das Kochen gelernt. In den 90er Jahren war er in Jugoslawien, um zu helfen, wo es geht. In einem Projekt in Berlin-Neukoelln versuchte er, Grundschueler zu ueberzeugen, dass das Doener-Fleisch nicht vom Doener-Tier kommt. Und als eines Tages ein junger Demonstrant nach Hause kam und seinem Papa nicht von den Wasserwerfern und Hubschraubern erzaehlte, sondern davon, wie gut ihm das Essen geschmeckt hatte, da rief der Papa, Verleger von Beruf, den Demo-Koch an und fragte ihn, ob er seine Geschichten und Gerichte nicht aufschreiben wolle. „Starkoch der Friedensbewegung“ wird Wam Kat in der Presse genannt, seitdem sein Buch erschienen ist. Manche glauben, er haette jetzt die Seiten gewechselt. Wam Kat lacht. „Solange ich frei meine Meinung aeussern kann, setze ich mich mit jedem an einen Tisch.“ Manchmal, wenn Wam Kat auf Sommerfesten seiner Partei, der „Linken“, kocht, dann schnippeln einige Linke die Wurst vom Currywurst-Stand in seine vegane Suppe. Und wenn Edeka Bio anbietet und das Bio nicht vom anderen Ende der Welt kommt, kauft Wam Kat auch mal bei Edeka ein. Er sei zwar ein Missionar, sagt er aber kein Prinzipienreiter. Hannover, Ballhofplatz. Die Kuerbissuppe ist ausgeloeffelt, die Show zu Ende. Ach ja, mit dem Einsatzleiter habe er noch einen Kaffee getrunken, damals in Heiligendamm. Eigentlich sei es den Polizisten verboten, mit den Demonstranten Kaffee zu trinken oder einen Teller Suppe anzunehmen es koennte vergiftet sein. „Vergiftet“, sagt Wam Kat und lacht. „Ich, die Suppe vergiften.“