Ein Leben neben der Spur

Wam Kat (53), Autor und Journalist, ist für manche ein Althippie, weil er gegen Atomkraftwerke protestiert und die Friedensbewegung auf dem Balkan unterstützt hat. Er war Chef der Pazifistischen Sozialistischen Partei. In den 80er Jahren gründete er das Kochkollektiv "Rampenplan", das seither Demonstranten – wie beim G8-Gipfel in Heiligendamm – bekocht. Jetzt hat der Aktivist ein Buch geschrieben. "Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung" (Orange Press) erzählt Geschichten aus dem Leben des weit gereisten Politkochs, der es gar nicht mag, wenn man ihn mit "Sie" anspricht. Mit den SN plauderte er über Woodstock, Mahatma Gandhi und Gemüse-Nazis.

STEPHAN KLIEMSTEIN  (Salzburger Nachrichten)

Arnold Schwarzenegger hat Transfette, die vor allem für Fastfood verwendet werden, in Kalifornien verbieten lassen. Wäre die Welt ohne Fastfood ein besserer Ort?

Kat: Grundsätzlich habe ich nichts gegen schnelles Essen. Ein Freund hat in Berlin das erste veganische Fastfood-Restaurant eröffnet. Allerdings halte ich nichts von großen Konzernen und Restaurantketten, die ihre fetthaltigen Produkte fabrikmäßig unters Volk bringen. Der genaue Ursprung der Zutaten ist zudem kaum feststellbar.

 

Was kochst du denn privat?

Kat: Alles, was gerade vorrätig ist. Ich liebe es zu improvisieren und kombiniere gerne verschiedene Zutaten. Kann Kochen das Denken verändern?

Kat: Prinzipiell ja. Doch dazu müsste man den Begriff des Kochens konkretisieren. Eine Fertigpizza in den Ofen schieben oder Nudeln in der Mikrowelle erhitzen, das ist für mich noch kein Kochen. Wer selbst anbaut und kocht, ist unabhängig, sagst du. Ist das heute noch realisierbar?

Kat: Wer auf dem Land wohnt, den Luxus und die Zeit zum Anbauen hat, sollte es tun. Inzwischen gibt es aber fast schon überall Bioläden, die Produkte aus der Region verkaufen. Zudem besteht die Möglichkeit, "food coops" zu gründen. Das sind Gruppen von Menschen, die bei Biogroßhändlern einkaufen und Selbstversorgungsgemeinschaften bilden.

 

Was verbindet Küche mit Politik?

Kat: Politik ist ein Teil des Lebens. Sie umfasst all jene Dinge, die wir tun, kaufen, verbrauchen und inkludiert die Frage, von woher wir welche Zutaten beziehen. Billigprodukte von unterbezahlten Arbeitern, hergestellt in Ländern mit fragwürdigen Systemen, führen häufig zu massiven Umweltbelastungen. Selbst die Entscheidung, ob man mit Gas oder Elektrizität kocht, ist Politik. Ganz zu schweigen von der Problematik der globalen Essensverteilung.

 

Konfliktlösung durch gemeinsame Nahrungsaufnahme. Funktioniert das?

Kat: Natürlich. Zusammen essen ist eines der ältesten Rituale der Welt. Kriege werden seit Jahrtausenden wegen Nahrung geführt. Wenn es ausreichend davon gibt, minimieren sich auch die sozialen Spannungen. Fakt ist: Menschen mit vollen Bäuchen sind weniger aggressiv. In vielen Kulturen findet kein Fest ohne Festmahl statt.

 

Was würde Mahatma Gandhi dazu sagen?

Kat: Mahatma fände das prima. Auch er war häufig mit Essensfragen beschäftigt. In Indien gab es damals viele Hungersnöte, die das Land in Unruhe versetzten. Der Gedanke, verfügbares Essen ehrlich zu teilen, würde ihm sicher gefallen.

 

Wie stehst Du zur Haute Cuisine?

Kat: Wenn jemand für eine Mahlzeit mehr Geld ausgibt, als andere Menschen in einem ganzen Jahr verdienen, dann stimmt irgendetwas nicht. Leckeres Essen ist toll, aber es gibt auch moralische Grenzen. In meiner Zeit als UN-Jugendvertreter habe ich mich immer sehr mies gefühlt, wenn ich aus teueren Restaurants kam und Roma vor der Tür bettelten. Glücklicherweise habe ich jetzt kaum noch Geld, dieses Problem hat sich somit erledigt.

 

Früher mit der linken Kochgruppe "Rampenplan" und neuerdings mit der "Fahrenden Gerüchteküche" bekochst Du oft Tausende Demonstranten. Was ist die größte Schwierigkeit?

Kat: Die Essensbeschaffung und die damit verbundene Logistik. Alles andere, auch das Kochen selbst, kann improvisiert werden. Und dann ist da die Frage: Wie verteilt man möglichst rasch 4000 Essensrationen? In den Küchen von Flüchtlingslagern herrscht ohnedies genereller Ausnahmezustand. Das Personal ist oft schlecht gelaunt und das Essen ungenießbar.

 

Sind diese Menschen denn wählerisch?

Kat: Einmal habe ich für Serben, die gerade auf der Flucht vor den Kroaten waren, einen großen Topf Suppe gekocht. Die waren begeistert, obwohl die Brühe nur aus warmem Wasser und Kartoffeln bestand. Sie haben geweint und mir ihr letztes kroatisches Geld gegeben. Hätte ich dieselbe Suppe zwei Wochen lang in einem Flüchtlingslager serviert, wäre man mir vermutlich an die Gurgel gesprungen. Die Zutaten alleine sind nur selten relevant, viel mehr ist es die Art und Weise, wie das Essen präsentiert wird.

 

Das Auge isst also immer mit?

Kat: In Woodstock war das Essen ja auch nicht besonders exquisit, aber für die 400.000 Besucher war es wie Haute Cuisine.

 

Was vermutlich doch eher an den Drogen lag. Spenden, wenn es schmeckt – rentiert sich dieses System?

Kat: Definitiv. In Berlin gibt es eine Kneipe, die dieses System erfolgreich praktiziert. Die Lukrativität hängt immer vom jeweiligen Standort und vom Publikum ab. Am Ende gleichen sich Verluste und Einnahmen meist wieder aus. Für mich ist das Ganze sehr befreiend. Wenn jemand mein Essen nicht mag, braucht er dafür nicht zu bezahlen. Müßige Streitereien erübrigen sich somit.

 

Für dein Buch musstest du 24 Geschichten aus 900 auswählen. Fiel das nicht schwer?

Kat: Ich musste Geschichten finden, die nicht ganz so extrem sind. Zwar wird im Buch auf mich geschossen und ich werde von Trucks überrollt, ich hätte aber auch noch weit schlimmere Situationen beschreiben können. Mein Leben war schon immer ein wenig neben der Spur.

 

Im Buch erwähnst du einen Gemüse-Nazi.

Kat: Das war ein bärtiger, verfilzter Typ, der sein Zeug in einem Kellerloch verkaufte. In seinen Garten kam kein Gemüse, das nicht schon seit dem Mittelalter in den Niederlanden wächst. Alles andere hat er verbrannt. In Deutschland existiert eine Gruppe, die sich "Umwelt und Aktiv" nennt. Deren Website ist nicht nur grün, sondern auch ziemlich braun. Nicht jeder, der pflanzliche und tierische Immigranten bekämpft, ist automatisch ein Nazi. Doch inzwischen gibt es viele ökologische Gruppen mit brauner Ideologie. Man sollte wachsam sein, manche Aussagen erinnern an die faschistischen Rassenlehren eines Rudolf Steiner.

 

Hast du die Mengenangaben bei den Rezepten bewusst niedrig angesetzt?

Kat: Am liebsten hätte ich sie noch weiter reduziert. Ich finde, dass westliche Kulturen viel zu viel essen und vieles einfach nur für die Kanalisation produziert wird. Unsere Körper können so viel Nahrung doch gar nicht verarbeiten.

 

 

 

© SN

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