Kost und Logis

Vielleicht macht es die Finanzkrise ja bald notwendig, Tausende zu speisen, die hungrig durch die Strassen ziehen. Da kommen «Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung» mit ihren Hinweisen zur Sättigung grosser Menschenmengen gerade recht. Doch dieses Kochbuch ist eigentlich gar keins, sondern viel mehr: persönliches Tagebuch, Fotoalbum, lebendige Geschichte der politischen Bewegungen der letzten vierzig Jahre, Anekdotensammlung und Nachschlagewerk. Der niederländische Politaktivist Wam Kat kann mitreissend erzählen; fasziniert folgen wir ihm durch Kindheit und Jugend in Amsterdam, an Blockaden gegen Atomkraftwerke und Aufrüstung, in die Flüchtlingslager des Balkankriegs bis hin zum G8-Gipfel nach Heiligendamm.

Von Karin Hoffsten, woz, die wochenzeitung

 

Demonstrieren macht hungrig. Weil sich Hamburger und Bratwurst zur Stärkung im antikapitalistischen Kampf nur mässig eignen, gründete Wam Kat Anfang der achtziger Jahre zusammen mit anderen das Kochkollektiv Rampenplan, die mobile Volksküche zur Verköstigung protes­tierender Menschen. Aussergewöhnliche Herausforderungen wurden gemeistert: Woher so viel Gemüse und die entsprechenden Töpfe nehmen? Wie 400 Liter Wasser zum Kochen bringen und dabei verhindern, dass zentnerweise die Nudeln verklumpen und der Reis anbrennt? Bis heute wird vegetarisch ge­kocht und das Essen gratis verteilt – gegen freiwillige Spenden, wenns geschmeckt­ hat.

Ob ungerechte Produktionsbedingungen oder der Schwachsinn weltweiter Transportwege, weil es Erdbeeren zu Weihnachten sein sollen: Wam Kat hat sich intensiv mit den Folgen der globalen Ernährungsindus­trie auseinandergesetzt. Und so gehören schlichte vegetarische Rezepte auf der Basis saisonal und regional angebauter Nahrungsmittel zu jeder Episode; wo nötig, wird eine vegane Variante mitgeliefert. Probiert haben wir den «Heringssalat ohne Hering», der auch norddeutsch sozialisierten Geschmacksknospen ausgezeichnet munden dürfte. Einige Rezepte sind allerdings zeitaufwendig, wer nicht stundenlang Bohnen oder Getreide einweichen will, wird darum auf Alternativen ausweichen. Und die Anleitung, auf wie viele verschiedene Arten Eier ersetzt werden können, hat für nicht vegan Essende vor allem Unterhaltungswert.

Doch Wam Kat weiss nicht nur viel und erzählt gut, sondern beweist auch, dass fürs Berufsziel Friedensaktivist Gelassenheit und Humor nicht die schlechtesten Voraussetzungen sind. Deshalb werden garantiert auch jene dieses Buch spannend finden, die nie einen Kochlöffel in der Hand hatten. Falls Sie sich also noch nicht entschliessen konnten, Weihnachtsgeschenke ganz abzuschaffen, sind Wam Kats Rezepte in diesem Jahr der heisse Tipp!

 

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