Was ist ein Friedensburger? Da wird nicht geschlachtet oder geschächtet. Man schneide Zwiebel und Paprika in ganz kleine Würfel und vermische sie mit gekochtem Buchweizen, Vollkornmehl, gehackten Nüssen und Rosinen zu einem Brei, würze mit Koriander, Kumin, Kurkuma und Pfeffer. Die gebratenen oder gerösteten »Bouletten« werden mit Salat garniert, mit Mayonnaise oder Ketchup verziert und zwischen zwei Brötchenhälften gesteckt. Ein vegetarisches Gericht, das sogar schmeckt.
Von Karlen Vesper (Neues Deutschland)
»Gehakt à la Kat« ist vegetarisch und vegan. Denn: »Mit einem Hamburger in der Hand kämpft es sich nun mal schlecht gegen die Vernichtung des tropischen Regenwalds.« Der niederländische Pazifist und Umweltaktivist, Mitbegründer alternativer Netzwerke wie der »European Forest Action« hat bei Protestveranstaltungen der 70er und 80er Jahre eine erfolgreiche kulinarische Infrastruktur entwickelt zur Sättigung der Demonstranten gegen Atomkraftwerke und Atommüll, militärische Aufrüstung und Abbau demokratischer Rechte. In seinem alternativen Kochbuch findet sich denn auch ein Gericht mit dem Namen »Wendland Spezial« (mit Süßkartoffeln, Löwenzahn, Brennnesseln und Knoblauch). Mit leerem Magen kämpft es sich schlecht. Wam Kat war mit seinem Küchenwagen in Heiligendamm, hat tausende hungrige G-8-Kritiker verköstigt. Alle Rezepte in seinem Buch sind auf vier Personen bemessen, bis auf eines – für lange Sitzblockaden: Kartoffelpüree mit Endivien. Man koche 45 Kilogramm Kartoffeln, kippe zehn Liter Milch hinzu und zerstampfe alles mit einem Zaunpfosten, etwa ein Meter lang.
Ein unkonventionelles Kochbuch. Originelle Rezepte sind mit der Erzählung eines aktionsreichen Lebens verwoben. Der Sohn eines niederländischen Widerstandskämpfers gegen die Nazis, aufgewachsen in ländlicher Idylle, war zum Verächter von Fleischverzehr geworden, als er in einer Wurstfabrik jobbte. Gourmets, die auf ihr Hühnchen oder den Schweinebraten nicht verzichten wollen, werden hier zumindest interessante Beilagen finden – vielleicht aber auch bekehrt. Wam Kat fordert nicht mehr und nicht weniger, als auch bei der Essenszubereitung political correct zu sein: »Nichts mehr einzukaufen, woran deiner Meinung nach Blut oder zumindest eine Menge Dreck klebt, ist die einfachste Art und Weise zu zeigen, dass du nicht damit einverstanden bist, wie die Dinge laufen.« Das richtet sich gegen die profitorientierten und ungesunden Geschäfte internationaler Lebensmittelkonzerne, das noch immer die »Dritte Welt« in Joch haltende Diktat der Monokulturen, gegen Konsumterror und Konsumnot.
Wam Kats Rat an die Europäer: Abzuschwören ihrer Gier nach saisonwidrigen Genüssen. »Die Menge CO 2, die für Treibhausproduktion, Aufbewahrung und Transport eines saisonfremden Gemüses in die Luft gejagt wird, ist ein Vielfaches dessen, was die Pflanze beim natürlichen Wachsen verbraucht. Wenn du also nicht nach jeder Mahlzeit zum CO2-Ausgleich ein ganzes Wäldchen anpflanzen willst, ist es empfehlenswert, deinen Speiseplan an die Jahreszeiten anzupassen.« Eigentlich sollte man annehmen, meint Wam Kat, dass auf einem Planeten, der sich für zivilisiert hält, freier Zugang zu Nahrung für alle gerecht organisiert ist. Doch: »Es gibt kaum Menschen, die frei entscheiden können, was sie einatmen, essen oder trinken.«
Seine Überzeugungen haben ihn mehrfach unangenehme Begegnungen mit der Staatsgewalt, schwer bewaffneten Polizisten und allzu neugierigen Beamten des Binnenlandes Veiligheidsdienst, dem niederländischen Pendent zum Bundesverfassungsschutz, eingebracht. Drollig die Schilderung des wodkaschweren Treffens mit einem Sowjettankisten beim Ecotopia-Festival '89 in Ungarn. Die Erinnerung trägt ein Perestroika-Shirt. Berichtet wird, wie die VoKü, die Volksküchen entstanden. Und einmal mehr bestätigt sich hier die besondere (nicht grundlose) Affinität der Niederländer für die gewesene DDR. Ein Rezepteband, nicht nur für die Generation des Autors (Jg. 1955), sondern auch für aktive junge Leute von heute. »Eet lekker!«, wünscht Wam Kat.
Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung.
Orange Press, 2008. 255 S., geb., 25 EUR.