Selbst für versierte Bücherwürmer dürfte es eine neue Erfahrung
sein, ein Kochbuch vor lauter Lesefreude und Spannung nicht mehr aus
der Hand legen zu wollen und ihm vielleicht sogar eine
durchblätterte Nacht zu widmen. Wam Kats 24 Rezepte zur
kulinarischen Weltverbesserung machens möglich… Wer jahrzehntelang die sozial-politischen Bewegungen Europas
durchgefüttert hat, kann nicht nur allerhand praktische Küchentipps
geben und leckere Rezepte liefern, sondern hat auch viel zu erzählen.
Was man beachten muss, wenn man in einer Feldküche für 2.000 Leute
Spaghetti kochen will, zum Beispiel, oder was ein Gewitter mit
gekochtem Weizen anstellen kann. Oder wie man es schafft, die Rote
Armee für das Anlegen von Fahrradwegen zu gewinnen.
Solche Heldentaten hat Wam Kat, Jahrgang 55, der Herkunft nach
Holländer, aber gefühlter Kosmopolit, zu Stande gebracht und lässt
seine Leser mittels seiner 24 Rezepte zur kulinarischen
Weltverbesserung daran teilhaben. Die lukullisch unterlegte Zeitreise
beginnt in den frühen 60ern, schlägt einen weiten Bogen über die
Protestkulturen der folgenden Jahrzehnte, verweilt dann in den
schlimmsten Zeiten des Balkan-Konflikts und endet mit der Speisung
der Gipfelstürmer von Heiligendamm.
Es ist die Geschichte, eines jungen Mannes aus der niederländischen
Provinz mit anfänglicher Abscheu gegenüber Buchweizen und einem
Faible für Rockmusik, der sich aufmacht, um seinen Idealismus mit
der Schöpfkelle in die Welt zu tragen. Mit der Lust am Entdecken und
einem Hang zum Staunen gelingt es ihm dabei immer wieder
außergewöhnliche Sichtweisen aufzutun, vor allem aber Neues zu
schaffen. Er wird zu einem der Ur-Väter der VoKü-Kultur, zum
Mitbegründer zahlreicher alternativer Organisationen und bringt mit
seinem "Zagreb Diary" einen der ersten Blogs ins Internet. Und hey!
Wer hat wohl den Sex Pistols die Funktionsweise einer
niederländischen Imbissbude erläutert…?
Sein größter Verdienst: Mit dem mobilen Kochkollektiv Rampenplan
(zu deutsch: Katastrophenplan) hat Wam Kat zahllose Protestaktionen,
Demos und Festivals in ganz Europa mit ökologisch korrekten
Mahlzeiten versorgt. Egal ob gegen Atomenergie, Krieg, Nazis oder
Globalisierung: Die Feldküche im Mammut-Format füllte stets die
Mägen der Querdenker. Eine Kostprobe seiner Kunst konnten übrigens
auch etliche Besucher von Rock for Nature geniessen, wo Wam Kat mit
einem Stand samt Buch und Suppe präsent war.
Wam Kats anekdotisch und bruchstückhaft gehaltene Lebensepisoden, in
denen immer wieder der deeskalierende und kommunikationsfördernde
Effekt des gemeinsamen Kochens (und natürlich auch des Essens) zur
Sprache kommt, sind manchmal schräg, oft nachdenklich, aber stets
mit einer Prise Humor gewürzt und – es ist ja schließlich ein
Kochbuch – führen allesamt zu einem vegetarischen Rezept.
Obwohl die biografischen Inhalte sicherlich der attraktivere Teil des
Buches sind, sind auch die Rezepte nicht zu verachten. Manche Hausfrau
wird zwar Gerichten mit Namen wie Wendland Spezial, Sitzblockade oder
Kleiner Punk eher skeptisch gegenüber stehen, aber die Anleitungen
lassen leckere Mahlzeiten erwarten und die dazugehörigen Abbildungen
sind so appetitlich, dass selbst eingefleischten Tofu-Schützern das
Wasser im Mund zusammenläuft. Besonders interessant dürfte das Buch
für interessierte Küchenneulinge sein, denn Wam Kat nimmt sich die
Zeit, die ohnehin eher einfachen Rezepte so deutlich und ausführlich
zu beschreiben, das fast nichts schief gehen kann.
Abgerundet wird das Buch durch einige kleine Info-Kapitel, in denen
zum Beispiel die Welternährungslage und die Geschichte der
Volksküchen erläutert werden oder praktische Tipps zur Suche nach
Wildkräutern zu finden sind.
Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung sind eine
wirksame Gedächtnisstütze, die, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, an
globale Ungerechtigkeit und den Wert unserer Nahrung erinnert.
Unterhaltung, Information und ein spannendes Stück gelebter
Zeitgeschichte treffen im Kochtopf aufeinander. Ein facettenreiches
und liebevoll gestaltetes Buch zum Schmökern und Brutzeln!