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Wam Kat: „Ich will kein Koch sein wie Tim Maelzer.“

Wam Kat, 53, ist politischer Aktivist, Politiker und vor allem Koch. Von ihm stammen Rezepte, die zum Beispiel "Sitzblockade" heißen oder auch "Wendland Spezial" und meist für über 100 Esser angelegt sind. Der Niederländer stellt seit ungefähr 30 Jahren hungrige Aktivisten- und Demonstrantenmägen zufrieden. Morgen tritt er in Freiburg auf, Niko hat Kat vorab zum Interview getroffen.

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von nikolai worms  Fudder, Freiburg, 18.09.08, 18:25

Wam Kat kocht als Mitbegründer des niederländischen Kochkollektivs Rampenplan seit fast 30 Jahren auf Veranstaltungen diverser Friedens-,  Antiatomkraft- und Antiglobalisierungsbewegungen. Er wohnt seit Mitte der 1990er Jahre in Belzig (Brandenburg), wo er auch für Die Linke im Stadtrat sitzt. Morgen kocht er auf der Lesereise für sein neues Buch "24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung" in Freiburg.

Wam, du bist seit vier Monaten unterwegs. Hast du dein Buch vorgestellt?

Nicht nur das. Seit Heiligendamm haben wir mit Leuten aus einer Berliner Wagenburg eine kleine, mobile Küche, die Fahrende Gerüchteküche, mit der wir zum Beispiel beim Fusion-Festival, bei Schülerprotesten und bei der Köpi unterwegs waren.

Ihr fahrt auf Festivals?

Wir kommen nur auf Einladung. Auf der Fusion gibt es auch einen politischen Teil, zum Beispiel mit den Falken und verschiedenen anderen politischen Organisationen und Kommunen. Da kochen wir für drei- oder viertausend Leute.

Ich wollte ein Rezept aus deinem Buch kochen. Leider war es für 100 Leute ausgelegt. Wie schnell schälen sich 45 Kilo Kartoffeln?

Ah, du meinst die "Sitzblockade". Meistens sind es übrigens mehr als hundert Leute, eher tausende. Ein Beispiel: Im November fahren wieder Castor-Transporte nach Gorleben. Wir werden mit unserem Kochkollektiv Rampenplan natürlich wieder vor Ort sein. In dem Lager laufen immer eine Menge Leute herum, die Langeweile haben. Und dafür ist die Küche fantastisch: Die Leute kommen dort hin und es gibt immer was zu tun. Kartoffeln schälen, Zwiebeln schneiden. Es kommt selten vor, dass wir 45 Kilo Kartoffeln selbst schälen müssen.

Die Leute können für das Essen eine Spende geben. Wie kommst du aber im Vorfeld an die Zutaten für ein 5000-Leute-Essen, wenn du dem jeweiligen Bauern nichts dafür zahlen kannst?

Ich gehe zu den lokalen Bauern und unterhalte mich mit ihnen. Ich muss sie von der jeweiligen Aktion überzeugen. Das geht oft einfacher, wenn wir schon in ähnliche Richtungen denken oder gemeinsame Bekannte haben. Klar, niemand gibt mir einfach so Kartoffeln für 5000 Leute und vertraut darauf, dass ich vielleicht in einer Woche komme und ihm dafür das Geld gebe. Die Leute müssen sich selber als wichtigen Teil des Projekts begreifen.

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Beim WDR hat dich jemand den "Starkoch der Friedensbewegung" genannt.

So was ist immer ein bisschen peinlich. Du bist zufällig der, dessen Name und Gesicht aus einer Bewegung von tausenden von Leuten bekannt geworden ist, die in den letzten Jahren bei Rampenplan mitgekocht haben. Zum Glück habe ich ein Alter erreicht, in dem mir das niemand vorhält. Die Maulwürfe in Freiburg oder die von der KTS freuen sich, dass wir am Samstag zusammen kochen können. Wenn ein Journalist findet, dass ich so ähnlich wie Kerner bin, dann weiß ich nicht, ob ich das als Kompliment oder als Angriff begreifen muss.

Im Buch beschreibst du, wie ihr in der Nähe einer Sitzblockade auf freiem Feld eine Küche aufbaut, um die Blockierer zu versorgen.

Ja, unser Ziel ist es, innerhalb von zwei Stunden im Nirgendwo eine Küche und Essen für hunderte von Leuten bereitstellen zu können. Als wir damals mit geliehener Pfadfinderausrüstung angefangen haben, ging das natürlich noch nicht. Mittlerweile wissen wir, wie man Küchen baut und haben dieses Wissen an andere mobile Küchen weitergegeben. In Freiburg gibt es die Maulwurfköche, die haben zum Beispiel eine alte Rampenplan-Küche.

Was kann man morgen erwarten? Gibt es etwas zu essen?

Es wird mit gemeinsamen Kochen anfangen, wahrscheinlich werden wir Kürbissuppe machen, weil das zur Saison passt. Man wird totgeschmissen mit Kürbissen. Während die Suppe kocht, erzähl ich so lange, bis den ersten langweilig wird oder sie Hunger bekommen. Gestern war ich in Zürich und habe mit Leuten von Cuisine sans Frontières besprochen, dass wir nächstes Jahr eine multikulturelle mobile Küche in Bosnien starten, mit der Moslems, Kroaten und Serben zusammen auf verschiedene Festivals fahren können.

Dir geht es also auch um die Überwindung kultureller Grenzen.

Zusammen kochen oder allgemein zusammen arbeiten ist ein Mittel, das sich unheimlich gut eignet, um verschiedenen Sachen zu regeln, die sonst einfach zu trocken wären. Ob in Rostock oder auf der Fusion oder sonstwo: Ich habe jedesmal die Erfahrung gemacht, dass die Küche automatisch zum Herz und zur Informationszentrale eines Camps wird. So wie die Leute früher zu Mama in die Küche gekommen sind, so kommen sie heute zu uns.

Protestmarch im Wyhl

Hast du schon mal schlechte Erfahrungen gemacht, so in der Art: "Wir diskutieren hier ernste Probleme und der kommt hier mit seiner Küche an und will was kochen"?

Ganz im Gegenteil. Ich habe zum Beispiel als Jugendlicher in den 1970er Jahren in Wyhl gekocht, wo unheimlich viel geredet wurde – echte Basisdemokratie eben. Da war die Küche immer gut, um Diskussionen zu verschnellern: Wenn niemand kommt und beim Kochen hilft, gibt es nichts zu essen. Wir von Rampenplan kommen dann vielleicht mit 25 Leuten an. Aber für 5000 Leute Kartoffeln schälen können wir trotzdem nicht.

Leuchtet ein.

Einmal gab es einen Friedensmarsch von Mutlangen nach Bonn, '84 oder so, da waren am Anfang nur 24 Leute, die es etwas übertrieben fanden, dass wir mit unserer kompletten Küche ankamen. Nach drei Tagen waren es dann 200 Leute, die alle keine Lust mehr auf ihre Kartoffeln mit Kräuterquark hatten, und wir waren auf einmal doch sehr willkommen.

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Das Buch hat 250 Seiten mit nur 24 Rezepten. Ist das eine Autobiografie oder ein Kochbuch?

Ich finde es doof, eine Autobiografie zu schreiben. Das gibt das Gefühl, dass du am Ende deines Lebens angekommen bist. Das bin ich absolut nicht. Und ein Kochbuch alleine ist auch nicht mein Stil. Klar kann ich mehr als 24 Rezepte, ich kann ein paar tausend. Ich wollte aber, dass die Rezepte in den Rahmen eingebettet sind, in dem sie entstanden sind. Ich bin nicht einfach Koch, so wie dieser Tim Metzler oder wie der heißt. Ich bin Teil eines Kollektivs, das sich unter anderem mit Kochen beschäftigt, aber darüber hinaus noch viel mehr tut. Darüber wollte ich einen Überblick geben.

Bei dem Discounter in meiner Straße gibt es seit einiger Zeit eine Bio-Produktreihe. Was hältst du davon?

Auch wenn es biologisch angebaut wurde, steht oft nicht drauf, woher das Produkt kommt. Was soll eine biologisch angebaute Sojamilch aus Brasilien? Und was bedeutet biologisch überhaupt in Brasilien? Ich gebe zu: Wenn das Bioprodukt beim Discounter 99 Cent kostet und im Bioladen zwei Euro, dann fällt die politische Korrektheit manchmal schwer. Auf längere Sicht wird der Bioladen das aber nicht überleben können – und dann bestimmt der Discounter, auch der Bio-Discounter, was Bio ist.

Und was machen wir dann?

Schließt euch zusammen, geht zum nächsten Schwarzwaldbauern und kauft ihm die gesamte nächste Ernte ab – unter der Bedingung, dass es biologisch angebaut wird. Das schafft Nähe zum Produkt und man spart sich die Zwischenhändler.

Was ist mit Produkten wie Bionade?

Zufällig saß ich neulich auf dem Festival "Rock for Nature" neben einer Mitarbeiterin von Bionade. Sie hat mir erzählt, dass sie sehr überrascht war, als sie nach einige Monaten dort erfuhr, dass Coca-Cola große Teile des Bionade-Vertriebs übernimmt. Auch Bionade ist wieder ein großer Betrieb, der einen Markt monopolisiert und kleine Betriebe kaputt macht. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hatte noch jedes Dorf seine eigene Limonade, seinen eigenen Mineralbrunnen. So ein System wäre sehr viel besser. Als wir vor 25 Jahren die ersten Märsche in Deutschland mitgemacht haben, waren wir froh, wenn wir die Mineralwasserflaschen aus dem einen Ort dann im nächsten Dorf wieder abgeben konnten.

Wie könnte man da wieder hinkommen?

Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten.

Was: Buchvorstellung und Kochaktion mit Wam Kat
Wann: Freitag, 19. September 2008, ab 17 Uhr
Wo: S.U.S.I., Vaubanallee 2–8, zwischen Haus A und B

von nikolai worms | 18.09.08, 18:25

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