2400 Liter Protestsuppe für die Bauern

Kochstunde in Berlin-Kreuzberg. Am Freitag wurde gerührt, am Sonnabend wird verteilt. Foto: Eva Riedmann400 Menschen haben am Postbahnhof unter dem Motto „Auf den Teller statt in die Tonne“ Gemüse geschnippelt, das sonst keiner will: 1000 Kilo. Nun wird die Protestsuppe am Samstag um 14 Uhr auf der Großdemo gegen Agrarindustrie und Massentierhaltung verteilt. Mahlzeit! 

 

In einem Zirkuszelt, mitten in der Manege, angeleuchtet von bunten Schweinwerfern steht Chefkoch Wam Kat und rührt in seinem Suppentopf, so groß wie zwei übereinander gestapelte LKW-Reifen. Der metallene Kochlöffel sieht aus wie ein Ruder. Der Dampf, der sich aus dem Topf schlängelt, riecht nach Zwiebeln und Ingwer. Ein zotteliger, grauer Zopf schaut unter Wam Kats schwarzer Mütze hervor. Man muss sofort an den Druiden Miraculix aus „Asterix und Obelix“ denken, der seinen Zaubertrank kocht.

Wam Kat rührt nicht in einem Zaubertrank, sondern in einer Protestsuppe. Am Samstag wird die Suppe auf der Abschlusskundgebung der Demonstration gegen Agrarindustrie und Massentierhaltung, die in diesem Jahr zum vierten Mal in Berlin stattfindet, verteilt.

Seit 35 Jahren ist der Holländer schon Demo-Koch. Sechs solcher Töpfe wird er an diesem Freitagabend noch kochen. 2400 Liter Suppe aus 1000 Kilo Gemüse.

„Wir müssen für fast 9000 Leute kochen. Wir haben uns gefragt, wie sollen wir das schaffen?“, sagt Nadja Flohr-Spence von der Organisation „Slow Food“. Sie steht im Schnippel-Zelt, das direkt gegenüber von Wam Kats Koch-Zelt liegt. Um sie herum sitzen rund 300 Menschen, auf Bierbänken oder auf dem Boden, und schneiden Kohlrabi, rote Bete, Kartoffeln und Möhren. Zwischen dem Gemüse stehen Bierflaschen. Lammsbräu, ökologisches Biobier. In der Manege ist ein DJ-Pult aufgebaut, sechziger-Jahre-Musik wummert aus den Boxen, auf der Tanzfläche hüpfen zwei junge Frauen. „Wir haben uns überlegt: wir brauchen Musik, dann kommen die Leute und helfen uns beim Gemüse schneiden“, erzählt Flohr-Spencer. Zum dritten Mal veranstaltet „Slow Food“ die „Schnippeldisko“ am Tag vor der Großdemonstration. Das Publikum ist gemischt. Kinder, Studenten, Rentner – hier dürfen alle mitschneiden.

Auch Carolin Saam ist zum Schnippeln gekommen. Sie kniet auf dem Boden, vor ihr zwei aneinandergeschobene Bierbänke, auf denen Brettchen mit geschnittenem Kohlrabi liegen. Die 24-jährige studiert in Berlin Agrarwissenschaften. Sie ist hier, weil sie es schade findet, dass Supermärkte tonnenweise Lebensmittel wegschmeißen, anstatt sie zum Beispiel an die Tafel weiter zu geben. Sie sagt Sätze wie „Menschen in anderen Länder müssen verhungern.“ 

Die nötige Portion Idealismus bringt auch Wam Kat mit. Mittlerweile ist der Suppentopf voll, der 57-jährige schiebt einen überdimensionalen Pürierstab durch die ockerfarbene Masse. In seine Suppe kommt nur Gemüse mit Schönheitsfehlern, das im Supermarktregal keine Chance hätte: krumme Karotten, zu klein geratene Kartoffeln oder vom Hagel verbeulte Kürbisse. „Das Gemüse kommt direkt vom Bauern und würde eigentlich weggeschmissen werden“, erzählt der Koch und püriert weiter. Fleisch komme in die Suppe selbstverständlich nicht. Hier ist alles vegan.

– 20.000 Bauern (es wurde 30.000 demostrantInnen (wam)) aus ganz Deutschland werden am heutigen Sonnabend zur großen Demonstration unter dem Motto „Wir haben es satt“ in der Innenstadt erwartet. Viele kommen mit ihren Traktoren. Am Potsdamer Platz ist um 11 Uhr eine Auftaktveranstaltung geplant. Der Tross rollt dann durch das Regierungsviertel zum Kanzleramt. Es wird zu Verkehrsbehinderungen kommen; betroffen ist auch der BVG-Verkehr.

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