GERBISBACH/JESSEN/MZ. Jan Wendel bekennt, dass zwei Seelen in seiner Brust schlagen. Nach der Kundgebung mit Menschenkette auf dem Jessener Marktplatz freut sich der angehende Agrarwissenschaftler aus dem hessischen Witzenhausen ueber die seiner Meinung nach gelungene Aktion gegen die geplante Schweinemastanlage in Gerbisbach mit rund 28 000 Tierplaetzen. Gleichzeitig anerkennt er, dass der hiesige Initiativkreis gegen die geplante Schweinefabrik, wie die Teilnehmerzahl zeige, Rueckhalt in der Bevoelkerung habe. Andererseits ist er der Ansicht, dass es zu solchen Protestaktionen haette gar nicht kommen muessen, wenn die Agrarpolitik eine andere waere, die von vornherein das Errichten von Grossanlagen ausschliessen wuerde. „Deshalb fahren wir nach Berlin.“
Die Teilnehmer des Fahrradkorsos treffen am Nachmittag auf dem Jessener Marktplatz zur Kundgebung ein, auf der sie gemeinsam mit Teilnehmern der Bauernsternfahrt gegen die Schweinemastanlage in Gerbisbach demonstrieren. (FOTO: THOMAS CHRISTEL)
Am Donnerstag soll die Sternfahrt der Jungen Arbeitsgemeinschaft Baeuerliche Landwirtschaft in der Hauptstadt vor dem Kanzleramt enden. Dann wird Jan Wendel auf dem alten Traktor der Marke Steyr rund 1 600 Kilometer zurueckgelegt haben und mit Gleichgesinnten dafuer eintreten, dass die Zukunft junger Landwirte nicht den Interessen der Agrarindustrie geopfert wird. Das wird nicht allein allein verbal artikuliert, sondern auch mit Videonachrichten von jeder Station unterstuetzt, so auch von der am Mittwoch in Jessen. Die Botschaft hier faellt bei Fahrradkorso, Kundgebung und Menschenkette eindeutig aus: „Wir wollen keine Schweinefabrik in Gerbisbach.“ Vor fast zwei Jahren, erinnert Gabriele Wolf, Sprecherin des Gerbisbacher Initiativkreises, gab es an gleicher Stelle eine Demonstration, in der die Wut ueber die durch das Landesverwaltungsamt Halle erteilte Genehmigung zum Ausdruck gebracht wurde. „Wir wollen die Schweinemastanlage noch immer nicht“, ruft sie unter dem Applaus der ueber 100 Zuhoerer vor den Lautsprechern. Der Kampf gegen das Projekt werde weiter das Leben der Anwohner bestimmen, versichert der Gerbisbacher Steffen Loewe. Er wirft Landesverwaltungsamt und Kreisverwaltung vor, zu den derzeit laufenden Bauaktivitaeten ihren ueberwachungspflichten nicht nachzukommen. „Die Buerger haben die Kontrolle uebernommen, nicht die Behoerden“, indem der Initiativkreis mit Nachdruck auf Missstaende aufmerksam mache.
Wam Kat spricht von einer „unglaublichen Sauerei“. Und er fuegt an: „Was sie zu Hause nicht haben wollen, drehen sie anderen an.“ Gerichtet ist das an die Adresse der Investoren. Sie sind Niederlaender wie Wam Kat. Er unterstuetzt die Sternfahrt uebrigens ganz praktisch, indem er gemeinsam mit zwei weiteren Maennern an jeder Station kocht. Verwendet werden frische Zutaten von einheimischen Firmen. In Jessen gibt es eine Gemuesesuppe. Ebenso am Donnerstag wahrscheinlich am Kanzleramt. Und der promovierte Psychologe und Soziologe fuegt an: „Auch Angela Merkel wuerde von mir eine Suppe bekommen.“
Jan Wendel ist jedenfalls nicht bereit, die Suppe auszuloeffeln, die mit der aktuellen Agrarpolitik vorgesetzt wird. „Unseren Forderungen muessen wir Gehoer verschaffen. Von allein tut sich da nichts.“ Seine Vision ist ein Buendnis von Bauern und Gesellschaft. „Das waere sehr schoen.“